Das Projekt Wasserturm

Wie alles begann

Angeregt durch das EXPO-2000-Schulmotto "Mensch-Natur-Technik - Welche Schule braucht die Zukunft unserer Welt?", erarbeitete das Kollegium der damaligen Hauptschule Stadtmitte 1998 die Bewerbungsschrift für das "Bildungsprojekt Lüneburger Wasserturm". Eine Zertifizierung wurde aufgrund der zu erwartenden hohen Kosten und der zum damaligen Zeitpunkt noch ungeklärten Finanzierung des Projektes jedoch nicht bewilligt. Die Hauptschule Stadtmitte begann dennoch mit der Umsetzung des Projekts.

Bei der Formulierung unserer Ziele beziehen wir uns auf die Agenda 21 mit ihren Handlungsanweisungen zu einem nachhaltigen und damit bewussten, verantwortungsvollen und solidarischen Umgang mit Mensch und Erde sowie mit wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Ressourcen:

  • In Echtsituationen (Projekte, Wasserturmführer) sollen unsere Schüler Verantwortung für ihr Verhalten und ihr Lernen übernehmen, um ihre Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz zu fördern.
  • Durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen und Trägern öffnen wir die Schule nach außen.

Mittlerweile führen unsere Zehntklässler pro Jahr ca. 200 Gruppen mit insgesamt rund 2000 Gästen durch den Wasserturm. Außerdem ist der Wasserturm in jeder Klassenstufe in das Unterrichtsgeschehen eingebunden, siehe dazu unseren Bildungsplan Wasserturm!

 

Das Bildungsprojekt Wasserturm

Die Leitmotive unseres Handelns sind der verantwortungsbewusste Umgang mit den begrenzten Ressourcen der Erde sowie die Entwicklung verträglicher Wirtschafts- und Sozialstrukturen. Das Projekt der Schülerführungen trägt maßgeblich zur Umsetzung dieser Ziele bei:

Ziel 1: Die SchülerInnen stärken und ermutigen, ihr Selbstvertrauen fördern. Ihren Gerechtigkeitssinn, soziales Verhalten und Fairness ausbauen, ihnen Perspektiven eröffnen und Handlungs- und Einflussmöglichkeiten sichtbar machen.

Ziel 2: Die SchülerInnen sensibilisieren für soziale, ökonomische und ökologische Prozesse und deren Interdependenzen, angefangen beim Bewusstsein für das Beziehungsgefüge des eigenen Lebens bis hin zum potentiell globalen Kontext, in den sich das eigene Handeln mit seinen Auswirkungen zu stellen hat.

Ziel 3: Die SchülerInnen als Multiplikatoren gewinnen für die Weitervermittlung der Umweltbildung hinein in die Familien, Freundeskreise, Freizeitaktivitäten, Vereine, etc.

Mit der Teilnahme am Bildungsprojekt Wasserturm zeigen die Schüler besondere sprachlich-kommunikative Leistungen. Die Teilnahme am Wasserturm-Projekt geschieht freiwillig, etwa die Hälfte der SchülerInnen eines neunten Jahrgangs nimmt an dieser einjährigen Ausbildung teil. Diese findet in einem zweistündigen Wahlpflichtkurs statt, in dem die Führungs-Inhalte vorbereitet werden und in einer ebenfalls zweistündigen Arbeitsgemeinschaft zur Einübung der Präsentation. Im Anschluss beginnen die Schüler mit dem ersten Sommerferientag nach Abschluss der neunten Klasse mit ihren Führungen.

Die erste Generation der WasserturmführerInnen hat im Juni 2001 die Schulzeit abgeschlossen und blickt auf ein überaus erfolgreiches Jahr zurück. Seit Juni 2000 haben diese SchülerInnen Gästen jeden Alters das Stadtbild und die Entwicklung der Wasserversorgung Lüneburgs erläutert. Wir danken ihnen herzlich und wünschen ihnen für die Zukunft alles, alles Gute.

Jeden Sommer beginnen neue TurmführerInnen, die sie jeweils ein Jahr ausübt. Bei ihrem Ausscheiden verfügen sie über einen reichen Erfahrungsschatz durch Begegnungen und Erfolge bei den Führungen. Viel Glück beim weiteren Weg!

Die Wasserturmführer-Ausbildung

Die Ausbildung unserer Wasserturmführer findet im Rahmen der Schülerfirma „Wasserwerk“ statt. In der Abteilung „Wasserturm“ eignen die SchülerInnen während des 9. Schuljahrs fundiertes Wissen an und entwickeln ihre Texte zu den Themen „Wassertechnik des Turms“ und „Das Lüneburger Stadtbild“, die die Grundlage ihrer Touristenführung bilden. Selbstständigkeit, produktorientiertes Lernen, Verantwortungs-übernahme und Leistungsbereitschaft werden in den Mittelpunkt des Lernens jedes Einzelnen gestellt.

Erschließung des Lebensraumes

Ein erster wichtiger Schritt stellt dafür die direkte Erschließung des eigenen Lebensraumes in der Stadt Lüneburg dar. Hierzu haben sich eine Stadt-Rallye und diverse Ausflüge bewährt. Auf diese Weise lernen die SchülerInnen nicht nur, sich von der Plattform des Wasserturms aus orientieren zu können, sondern ebenfalls, sich sicher in den verschiedenen Teilen der Stadt zu bewegen. Als sehr beeindruckend empfinden die SchülerInnen stets die Führungen durch das Salz-Museum und das Rathaus, die Besichtigung des Klärwerks sowie ein Treffen mit dem Turm-Bläser der Johanniskirche und die Turmbesteigungen unserer Kirchen.

Mit diesen Unternehmungen wird einerseits das Wissen um den eigenen Lebensort vertieft und die Souveränität in der Vermittlung gestärkt, daneben findet ein Veränderungsprozess bei den SchülerInnen statt: Nicht mehr ausschließlich die vermittelten Inhalte der Führung stehen im Vordergrund, Auftreten, Gestik und Mimik werden von den SchülerInnen genauso beobachtet und im Anschluss diskutiert. Gesten des Hinführens und des Hinweisens werden ebenso „abgeschaut“ und einstudiert wie Formulierungen für die Begrüßung, die Einleitung und die Verabschiedung.

Die ersten Worte sind erfahrungsgemäß die schwierigsten - eine vorbereitende Konzentration auf diese Situation ist deshalb sinnvoll.

erlernte Fähigkeiten

Ebenso bedeutend ist Pünktlichkeit. Eine Gruppe, die auf ihre/n FührerIn warten muss, wird in der Regel ziemlich schlechter Stimmung sein. Dies erschwert nicht nur die Arbeit des/der SchülerIn, sondern fällt als negativ auf das Image des gesamten Projekts zurück.

Die hierbei erlernten Fähigkeiten sind nicht nur für die Rolle der SchülerInnen im Wasserturm, sondern auch für das Leben nach dem Verlassen der Schule und dem Start in die Berufsausbildung absolute Schlüsselqualifikationen.

Entsprechend gilt für die gesamte Phase der Einbindung der SchülerInnen in das Projekt Wasserturm die Förderung der Entwicklung eines Verantwortungsgefühls. Als Gruppe mit starkem Wir-Gefühl soll auch eine Unterstützung der Schwächeren möglich sein. Die SchülerInnen werden darin trainiert, zusammen zu halten und sich in schwierigen Situationen Beistand zu geben. Daraus resultiert dann die Möglichkeit gegenseitiger Vertretungen im Krankheits- oder Verhinderungsfall - sie erlernen kooperative Verlässlichkeit.

 

Wichtige Aspekte der Ausbildung

Ein wichtiger Punkt der Vorbereitung bezieht sich auf mögliche kritische Situationen mit Besuchern. Es können Gäste zu führen sein, die es den SchülerInnen schwermachen. Die betroffenen FührerInnen sind dann auf die Unterstützung durch LehrerInnen und MitschülerInnen angewiesen - inhaltlich und emotional. Deshalb sollen die SchülerInnen versuchen, die Souveränität zu entwickeln, auch mit Gruppen umzugehen, die nicht zuhören, unkonzentriert oder überkritisch sind. Rollenspielübungen bereiten dies vor.

Damit es möglich ist, sich innerhalb der Gruppe gegenseitig den Rücken zu stärken muss in der Gruppe eine offene Vertrauenssituation vorhanden sein. Nur dann wird sich jeder Einzelne über seine Unsicherheiten äußern, Rückschläge zugeben und verarbeiten können.

Die LehrerInnen haben hier eine wichtige Aufgabe: Neben der Wissensvermittlung sind sie auch zuständig für das Motivieren und Bestätigen der SchülerInnen: Lob und Anerkennung sind hier sehr wichtig. Die PädagogInnen müssen ihren SchülerInnen einen Vertrauensvorschuss geben, damit sie sich ihrer neuen Aufgabe gestärkt widmen können. Ein behutsamer Umgang mit Kritik und Missgeschicken ist für die Steigerung der Leistungen und des Selbstbewusstseins sehr hilfreich, während ein negatives Urteil an einer so exponierten Stelle wie der Öffentlichkeit des Wasserturms als absoluter Misserfolg von den SchülerInnen empfunden würde. Der Grundgedanke des Konzepts würde dadurch konterkariert und ein Rückzug der SchülerInnen logische Konsequenz.

Ausbildungs-Workshop

Den „letzten Schliff“ erhalten die SchülerInnen während eines Workshops: Die Gruppe der zukünftigen Wasserturm-Führer zieht sich in ein Schullandheim zurück, hier wird intensiv in Kleingruppen gearbeitet. Sprech- und Interaktionsübungen werden durchgeführt, die Durchführung von Führungen wird geprobt. Unterstützt werden sie hierbei von einer Theaterpädagogin des Lüneburgers Theaters, die mit der Gruppe verschiedene Übungen durchführt (bspw. zum richtigen Einsatz der eigenen Stimme, zur eigenen Präsenz und vielem mehr).

Auch dem „Smalltalk“ wird eine Bedeutung beigemessen („Worüber kann ich denn im Fahrstuhl mit den Gästen sprechen?“) oder der „Kleider-Frage“ („Gibt es unangemessene Kleidung?“). Verhaltensweisen, die bei Gästen auf Ablehnung stoßen könnten (sprachliche Entgleisungen oder der Genuss von Kaugummi) werden diskutiert. SchülerInnen lernen also im Zuge dieses Projektes eine angemessene Wortwahl, Höflichkeit und Fürsorglichkeit unseren Gästen gegenüber. So werden den Besuchern Türen aufgehalten, einige Gäste benötigen eventuelle Hilfe um die steile Wendeltreppe zu erklimmen, manch ein Gast kämpft unter Umständen mit seiner Höhenangst im Wasserbehälter. Es erfordert Übung, sich den Gästen zuzuwenden.

Die Führungen in Klasse 10

Im 10. Schuljahr bewähren sich die SchülerInnen, indem sie zu zweit die Führungen im Wasserturm durchführen (dienstags und nach Anmeldung). Die hohe Zufriedenheit der Gäste und ihre Komplimente an die SchülerInnen, sind für uns ein Beleg für den Erfolg. Eine besondere Leistung ist es, dass einige unserer Wasserturm-FührerInnen die Gäste in englischer Sprache führen. Daneben finden auch Führungen in weiteren Sprachen statt, die SchülerInnen in ihrer jeweiligen Muttersprache leiten.

Diese außergewöhnliche Leistung wird nicht nur im Schulzeugnis festgehalten, sondern auch durch ein Zertifikat belegt, das der Trägerverein Wasserturm ausstellt. Mittlerweile fragen Ausbildungsbetriebe SchülerInnen unserer Schule gezielt nach diesem Zeugnis, weil sich der Ruf der Wasserturm-Führer-SchülerInnen (bzw. die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten dieser Schülerschaft) herumgesprochen hat. Durch die feierliche Weitergabe des “Wasserturmbuches” auf unseren Abschlussfeiern wird die Aufgabe von einem Jahrgang an den nächsten übergeben.

Spenden für eine gute Sache?

Das Projekt „Lüneburger Wasserturm“ wurde von vielen Stiftungen, Organisationen und Firmen finanziell unterstützt. Auch private Sponsoren tragen zum Erhalt des Projektes bei. Sie halten das Projekt für eine gute Sache und möchten einen Teil dazu beitragen? Das freut uns sehr!

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